Hygiene im Stall neu denken: In vielen Tierhaltungsbetrieben basiert die Reinigung noch immer auf chemischer Desinfektion. Doch moderne Konzepte setzen stattdessen auf Mikroorganismen – genauer gesagt auf probiotische Reinigung. Die Idee: krankmachende Keime nicht einfach töten, sondern durch ein stabiles, gesundes Mikrobiom verdrängen.
Probiotische Stallreinigung: Prinzip und Wirkung
Bei der probiotischen Reinigung kommen gezielt ausgewählte Mikroorganismen zum Einsatz. Diese Mikroben besiedeln Stallflächen, Wasserleitungen und schwer zugängliche Bereiche – und konkurrieren dort mit pathogenen Keimen um Platz und Ressourcen. Die Folge: Biofilme werden abgebaut, krankmachende Bakterien zurückgedrängt, das Stallklima verbessert sich langfristig.
Der entscheidende Unterschied zur klassischen Desinfektion liegt im Wirkprinzip. Während chemische Mittel Keime kurzfristig abtöten, schaffen probiotische Reiniger ein stabiles Milieu, das sich selbst reguliert und kontinuierlich schützt – ohne Resistenzen zu fördern.
Anwendungsmöglichkeiten – vom Boden bis zur Tränke
Probiotische Stallhygiene lässt sich in nahezu allen Tierhaltungsformen anwenden: bei Geflügel, Schweinen, Rindern oder Kälbern. Der Einsatz erfolgt meist in drei Bereichen:
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Stallflächen reinigen:
Ein probiotischer Schaumreiniger wird nach der Grobreinigung mit Wasser ausgebracht. Er haftet auch an Wänden und Decken, durchdringt Biofilme und bringt Millionen aktiver Mikroorganismen in den Stall ein. -
Stallklima stabilisieren:
Im belegten Stall wird ein flüssiger Mikroorganismen-Zusatz zweimal wöchentlich versprüht oder vernebelt. Damit bleibt das gesunde Mikrobiom aktiv und stabil – selbst bei Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. -
Wasserleitungen schützen:
Ein biologischer Zusatz im Tränkewasser reduziert Biofilme in Leitungen und an Nippeln. Die Keimbelastung sinkt, das Wasser bleibt geschmacklich neutral – was die Wasseraufnahme der Tiere erhöht.
Vorteile gegenüber chemischer Desinfektion
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Langzeitwirkung:
Probiotische Reiniger schützen Stalloberflächen bis zu 48 Stunden – deutlich länger als herkömmliche Mittel. -
Keine Resistenzbildung:
Durch die mikrobiologische Verdrängung pathogener Keime entsteht kein Selektionsdruck wie bei chemischer Keule. -
Sicherheit für Mensch und Tier:
Die eingesetzten Mikroben sind völlig unbedenklich. Schutzkleidung oder Atemmasken sind bei der Anwendung nicht erforderlich. -
Biodiversität statt Sterilität:
Statt alles „tot zu putzen“ wird das natürliche Gleichgewicht gefördert – mit positiven Effekten auf Tiergesundheit und Umwelt.
Automatisiert oder manuell – flexibel anpassbar
Je nach Betriebsgröße und Tierart kann die Anwendung vollautomatisiert über Diffusoren oder manuell mit Sprühsystemen erfolgen. Beide Varianten lassen sich unkompliziert in bestehende Reinigungsroutinen integrieren.
Beispielhafte Anwendungsschritte
Geflügelhaltung:
- Stall besenrein säubern
- Probiotischen Schaumreiniger aufbringen (1:1 mit warmem Wasser vorgemischt)
- Nach 10 Minuten Einwirkzeit mit Hochdruck reinigen
- Einstreu einbringen
- Stall und Tiere mit Mikroorganismenlösung vernebeln (2x wöchentlich)
- Wasserzusatz ins Tränkewasser geben (100 ml auf 1.000 l)
Schweine- oder Rinderhaltung:
Gleicher Ablauf, optional ohne Einstreu.
Wissenschaftlich bestätigt
Unabhängige Untersuchungen zeigen: Probiotische Hygienekonzepte können gegenüber konventionellen Verfahren eine bis zu zehnfach höhere Wirkung gegen bestimmte Keime erzielen – ohne gesundheitliche Risiken.
Studie: Comparative analysis of surface sanitization protocols on the bacterial community structures in the hospital environment, Clinical Microbiology and Infection (DOI: 10.1016/j.cmi.2022.02.032)
Fazit: Hygiene mit Zukunft
Statt sterilem Aktionismus verfolgt die probiotische Stallhygiene einen langfristigen Ansatz: Mikrobielles Gleichgewicht schaffen, Keime nachhaltig verdrängen, Tiergesundheit fördern – ganz ohne aggressive Chemikalien. Für viele Betriebe bedeutet das nicht nur weniger Stress für Mensch und Tier, sondern auch eine Perspektive auf antibiotikafreie Tierhaltung.
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